25 Juni 2018

Lubeca Nova feiert das Seefallfest

Am 20 Juno war es soweit: Die ganze Stadt feierte auf Wunsch des Ersten Muscheltempels das Seefallfest, den Hochfeiertag der Meeresmutter Urastë. 

Es sollte ein weiteres Zeichen sein, dass die Stadt nach Normalität und einem geordneten Leben strebt, etwas mehr als ein halbes Jahr nach der Novemberflut. Der Muscheltempel ist eines der ältesten Bauwerke auf dem Stadtgrund überhaupt und hatte während der verheerenden Flut so gut wie keine Schäden erlitten. Und seit der Zeit des Wiederaufbaus hatten sich die Priester der Meeresmutter immer wieder den Leidenden und denen ohne Obdach angenommen. Dabei war der Glaube an Urastë lange Zeit in den Hintergrund getreten, denn der rasante Aufbau der Stadt im vergangenen Jahrzehnt hatte auch zahlreiche andere Kulte über die Stadt gebracht. Und der Urastëkult schon immer eine der ursprünglichsten und ältesten Religionen an der Küste. Viele alteingesessene Fischer und deren Familien sagen auch heute noch, die Mutter sei einst über das Meer gekommen und habe der Küste die Schätze der See gebracht. Und so mancher Fernfahrer zündet Kerzen im Tempel an, wenn die Mutter der Stürme wohl gesonnen war und die Schiffe sicher wieder im Hafen ankern.

An Seefall nun bereiten die Menschen auf Geheiss des Tempels ihre Wünsche und Gebete für Urastë vor und da die Göttin auf See weilt, haben die Priester alter Tage einen Ritus erdacht, wie diese Wünsche ihr Ziel erreichen können: Die Menschen schreiben sie auf ein Stück Papier oder nehmen einige Dinge, die ihren Wünschen Symbolkraft verleihen. Diese wiederum backen sie dann in einen muschelförmigen Teig. Sie nehmen diese Teigmuscheln dann mit hinunter an die Ufer des Dhonov, die am Feiertag mit blauen und grünen Girlanden geschmückt sind. Die Priester der Meeresmutter sprechen dann ihren Segen über die Teigmuscheln und heissen die Menschen, sie in den Dhonov zu setzen. Der Brauch schreibt vor, dass dies in Gruppen getan wird, und so versammeln sich dann oft große Menschentrauben singend am Ufer, während sie die gebackenen Muscheln auf das Wasser setzen, auf dass sie mit der Strömung gen Mündung und Meer schwimmen. Der Teig löst sich dann bald im Meer auf und gibt die Wünsche der Menschen an die Meeresmutter Preis. Damit gedenken die Menschen auch dem Meer, aus dem Urastë ihnen in alten Tagen erschienen ist und die sie lehrte, die Schätze des Meeres weise zu nutzen.

Und danach wird im Kreise von Familie und Freunden zünftig in den Kellern und Schänken der Stadt gefeiert. Das Feiergetränk an diesem Tag ist ein leichtes, mit Algen angereichtes, salziges  Bier. Wer den Brauch also nicht unbedingt kennt, sollte vorsichtig sein, was er an Seefall bestellt. 


Gleichwohl wurde auf gemeinsame Veranlassung des Stadtrats und des Ersten Muscheltempels eine Speisung der Armen abgehalten, denn gerade die Ärmsten der Armen hatten während der Flut an der größten Misere zu leiden. Dazu konnten die Bürger wiederum kleine Kerzenboote aus Seife kaufen, die sie dann ebenso den Fluss hinunter schicken konnten, und der Erlös ging in Gänze den Armen zu. Es heißt, der Dhonov hätte sich in der Abenddämmerung in ein Lichtermeer verwandelt.

Tags darauf, am Morgen, hielt dann Torstan Akamarinen, der Erste Bewahrer des Tempels, eine Messe am Weststrand des Dhonov ab und nahm zahlreichen neuen Pilgern das Gelübde auf die Meeresmutter ab. Prominentester Pilger dieser Zeremonie dürfte der Zweite Stadtrat Anselm van Aardt gewesen sein, der feierlich dem keridischen Glauben entsagte und die Gischtkrone Urastës annahm.