Anfang Augusti ging im Hinterland von Lubeca Nova die
erste nach der großen Flut veranstaltete Handelsmesse zu Ende.
Genauer gesagt geschah dies in der Gemarkung Bregarlund an der
Wegscheide halb ab vom Borgasee und dem Trampelpfad, der auf Umwegen
ins Königreich Stauchen führt. Dorthin hatte Ornas Gresund, der
Witan von Bregarlund, zahllose Gäste geladen, um gemeinsam Möglichkeiten zu erörtern, für die Stadt Lubeca Nova die Rohstoffe dieser Region zu erschließen. Dem Rufe gefolgt waren Händler, Gelehrte und Baumeister, so dass an eben jener Wegscheide fast schon ein kleines Zeltdorf entstanden war, mit allerlei wunderlichen Gerätschaften und Kartentischen zwischen den Zelten und den fünf größeren Holzbuden und der großen Bühne, die extra für diese Messe zusammengezimmert wurden.
Große Länder und Zünfte waren hier vertreten, aber auch kleine Abordnungen und Gesellen aus verschiedensten Teilen des Lubecaner Landes, wie auch von weiter her. So waren zum Beispiel auch Vertreter des Åaleruner Bundes zugegen, die den Weg über das Dunkelmeer angetreten waren, um Zeuge dieser Messe zu werden und sich in der Pflege hanseatischer Beziehungen zu üben. Der Åaleruner Bund trat zu Jahresbeginn der Hanse von Lubeca bei.
Mit zu den geladenen Gästen zählte
auch eine Abordnung einer lockeren Gemeinschaft, die entlang eines
nahe gelegenen Waldes zu leben pflegt. Man könnte sie als eine Art
Holzfällergilde beszeichnen, wenn man einen „städtischen“ Titel
suchen würde. Witan Gresund hatte vorgeschlagen, dass eben jene
Gemeinschaft durch das Schlagen von Holz und das Köhlern einen
wichtigen Beitrag für das Wachstum der Stadt Lubeca Nova leisten
könnte und machte ein entsprechendes Angebot.
Die Verhandlungen erwiesen sich
allerdings als zäh, da die Axtleute der Stadt wenig abgewinnen
konnten und nicht so recht interessiert schienen, für ein größeres
Ganzes werken zu wollen. Dank der geschickten Vermittlung einiger
anwesender Kaufleute und Gelehrte konnten sie am Ende jedoch überzeugt
werden, es immerhin auf ein Jahr und einen Tag hin zu versuchen. Im
Gegenzug sicherte Witan Gresund dem Fürsprecher zu, der Gemeinschaft
hinsichtlich Ackerbau und Bewässerung entsprechendes Wissen und nötige Werkzeuge zukommen
zu lassen. Man wurde sich einig. Am Ende wurde der Ausgang dieser Verhandlungen gebührlich
gefeiert.
Der übrige Teil der Handelsmesse
bestand dann darin, dass sich die angereisten Gäste ein Bild von den
Rohstoffen des Bregarlunder Landes machen konnten, insbesondere von
den starken Hölzern und der ergiebigen Kohle, die durch die Köhlerei
gewonnen wird. Auf der anderen Seite hatten auch einige Architekten
und Baumeister ihre Pläne aus anderen Ländern mitgebracht und
verwiesen voller Stolz auf den Fortschritt, der mit dem Bau Einzug
ins Land halten würde. Ornas Gresund war allem Vernehmen nach
sehr zufrieden mit dem Verlauf der Messe.
Die meisten Augen und nicht wenig
Staunen lagen aber sicherlich auf einer gar merkwürdigen
Konstruktion, die für die Handelsmesse eigens von einer Gruppe, die
sich die Ma'shyn nennen, über mehrere Tage errichtet wurde.
Augenzeugen berichten von einem kreisrunden Gestell, in dem eine
ebenso runde Röhre aus Metall gelegt ward, ähnlich einer
Regenröhre. In der Mitte sah man einen großen Kessel, der durch
allerlei Pfeifen und Dampfen auf sich aufmerksam machte. Dem
sichtlich neugierigen Witan Gresund wurde dann auch unumwunden
mitgeteilt, die Apparatur könne bei präziser Ausrichtung entweder
die Borke und Rinde von den gesägten Stämmen waschen oder gar
verschiedene Erze aus Gestein lösen, und zwar ohne stinkende Lauge.
Die Begründungen dafür müssen wohl die meisten Gelehrten in
Erstaunen versetzt haben, denn an dieser Apparatur entzündeten sich
so manche Zankereien bei mehr als einem Humpen Bockbier. Nicht zuletzt die zwei Gesandten der Gilde der Arkanen Künste hatten stets zweifelnde bis abfällige Blicke für die Konstruktion übrig und beäugten sie angeblich immer nur aus gehöriger Distanz. Vielleicht zu recht.
Das tatsächliche Ausprobieren dieser
Apparatur musste den Ma'shyn allerdings untersagt werden, da sich
nach Meinung der Messekomission noch zu viele andere Bauten und
Gerätschaften von den angereisten Gästen auf dem Gelände befanden.
Immerhin stand dort zuviel, was hätte beschädigt werden können.
Nach der Messe jedoch, so hört man, wolle man sich eingehender mit
diesem „Ding“ beschäftigen. Auch hier munkelte man, wäre die Gilde der Arkanen Künste nicht ganz unbeteiligt an diesem Entschluss gewesen.
Zu guter Letzt fand mit einer gemeinsamen Messe durch
Bewahrer Helgan Ohse vom Ersten Muscheltempel am Sonntagmittag die Handelsmesse ihren Abschluss, und die Angereisten wurden mit dem Segen der
Meeresmutter Urastë in ihre Länder verabschiedet.
Die Messe war letztlich so erfolgreich,
dass Gresund an eben jener Wegscheide die Gründung eines neuen
Weilers verkündete und den Aufbau in die Hände eben jener Axtmänner
legte, die seit jeher am nahen Wald lebten. Zum Anlass passend nahm
Bewahrer Ohse einen im Gehölz
verfallenen Schrein aus alten Tagen für die Meeresmutter in Besitz,
weihte so diesen Ort und bat die Göttin Urastë um ihren Segen für
die Gründung der neuen Siedlung. Die Axtmänner waren bei dieser
Segnung schon nicht mehr anwesend. Einige sagen, sie hätten rasch in
ihre Hütten zurückkehren wollen. Andere lästerten hinter
vorgehaltener Hand, dass zwei Tage Zivilisation und Fortschritt
vielleicht doch zu viel für ein so einfaches Volk gewesen sein
mögen.
Wie
dem auch sei: Mit der Gründung eines Weilers in einem an Rohstoffen
reichen Teil der Gemarkung war die Handelsmesse ein voller Erfolg und
Ornas Gresund hat seinen ersten größeren Erfolg, den er im Stadtrat
Lubeca Novas verkünden kann.